Temporäre Nutzungen von Immobilien: Genehmigungen und rechtliche Grenzen in Deutschland

Temporäre Nutzungen von Immobilien: Genehmigungen und rechtliche Grenzen in Deutschland
Nov, 7 2025

Stell dir vor, ein leerstehendes Ladenlokal in deiner Nachbarschaft wird plötzlich zu einem Gemeinschaftsgarten, einem Pop-up-Café oder einer Kunstwerkstatt. Kein Wunder, dass solche Projekte immer beliebter werden. Doch hinter jeder temporären Nutzung steckt mehr als nur Kreativität - es steckt ein rechtlicher Rahmen, den du kennen musst, wenn du nicht auf Kosten von Bußgeldern oder Abrissandrohungen lernen willst.

Was ist eine temporäre Nutzung wirklich?

Temporäre Nutzungen, oft auch als Zwischennutzung bezeichnet, sind befristete Nutzungen von Immobilien, die nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form genutzt werden. Das kann ein verwaistes Fabrikgebäude sein, ein leerstehendes Wohnhaus oder ein brachliegendes Grundstück. Der Schlüssel: Es gibt keinen Eigentümerwechsel. Der Raum bleibt im Besitz des ursprünglichen Inhabers, wird aber für eine begrenzte Zeit von jemand anderem genutzt - oft zu sehr günstigen Konditionen oder sogar kostenlos.

Diese Form der Nutzung ist kein Loophole, sondern ein bewusstes Instrument der Stadtentwicklung. Sie verhindert Vandalismus, hält Gebäude instand und bringt Leben in vernachlässigte Viertel. In Freiburg, Berlin oder Köln werden so leerstehende Gebäude zu Kulturzentren, in Hamburg zu Co-Working-Spaces. Die Dauer ist flexibel: Manche Projekte laufen drei Monate, andere fünf Jahre. Und manchmal, wenn die geplante Neunutzung ausbleibt, wird die Zwischennutzung zur Dauerlösung - ohne dass der Eigentümer etwas dagegen tun kann.

Rechtlich gesehen: Kein Sonderstatus

Eine der häufigsten Irrtümer: Man glaubt, eine temporäre Nutzung sei weniger reguliert als eine dauerhafte. Das ist falsch. Aus rechtlicher Sicht gibt es keinen Unterschied zwischen einer Zwischennutzung und einer normalen Nutzung. Alle Bauvorschriften, Brandschutzstandards, Barrierefreiheitsanforderungen und Nutzungsarten gelten genauso.

Wenn du ein ehemaliges Lagerhaus in eine Kreativwerkstatt verwandeln willst, brauchst du eine Baugenehmigung - genau wie bei einem Neubau. Die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes ist maßgeblich. In Baden-Württemberg, wo ich lebe, ist das Landesbauordnung (LBO) entscheidend. Dort muss jede Nutzungsänderung, selbst wenn sie nur vorübergehend ist, genehmigt werden, wenn sie die bauliche Nutzungsklasse verändert - etwa von Lager (Nutzungsklasse 4) zu Gewerbe (Nutzungsklasse 6).

Und auch der Brandschutz: Fluchtwege, Feuerlöscher, Rauchmelder - alles muss erfüllt sein. Kein Nachlass wegen „nur temporär“. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur die Schließung, sondern auch Haftung bei Unfällen. Ein Brand in einer ungenehmigten Zwischennutzung kann teuer werden - für den Nutzer, den Eigentümer und die Gemeinde.

Ehemalige Fabrikhalle als Kreativwerkstatt mit Künstlern, Musikern und Besuchern in einem urbanen Umfeld.

Zweckentfremdung: Wo ist die Grenze?

Wenn du eine Wohnung vermietest, aber nicht als Hauptwohnsitz, sondern als Büro, Atelier oder Ferienunterkunft, bist du dann ein Zweckentfremder? Nicht automatisch.

Das Gesetz verbietet nicht, Wohnraum anders zu nutzen - es verbietet nur, wenn die Wohnnutzung nicht mehr vorherrscht. Die Faustregel: Wenn weniger als 50 % der Wohnfläche für gewerbliche Zwecke genutzt werden - etwa ein Zimmer als Büro -, ist das legal. In Bayern darfst du deine gesamte Wohnung bis zu acht Wochen im Jahr an Touristen vermieten, ohne eine Genehmigung. In Berlin oder Hamburg hingegen gelten strengere Regeln: Hier brauchst du eine Erlaubnis, wenn du mehr als 60 Tage pro Jahr vermietest.

Wichtig: Ein kurzer Leerstand ist kein Verstoß. Wenn du deine Wohnung für ein halbes Jahr umbaust oder deinen Job wechselst, ist das normaler Marktverlauf. Aber wenn du die Wohnung jahrelang leerstehen lässt, um sie später teurer verkaufen zu können, kann das in manchen Städten als „absichtlicher Leerstand“ gewertet werden - und das ist ein anderes Thema, das mit der Wohnungspolitik zu tun hat.

Wer darf was nutzen? Die Rolle des Eigentümers

Der Eigentümer ist der Schlüssel. Ohne seine Zustimmung ist jede temporäre Nutzung rechtswidrig - egal wie gut die Idee ist. Viele Eigentümer scheuen sich, weil sie Angst vor Schäden, Haftung oder steuerlichen Folgen haben. Aber es gibt Lösungen.

Ein einfacher Mietvertrag mit klaren Bedingungen schützt beide Seiten: Dauer der Nutzung, Pflichten zur Instandhaltung, Haftung bei Schäden, Rückgabestatus. Viele Kommunen bieten sogar Musterverträge an. In Berlin gibt es die „Zwischennutzungsplattform“, die Eigentümer und Nutzer zusammenbringt - mit rechtlicher Absicherung.

Und was ist mit Steuern? Wenn du die Immobilie vermietest, auch nur temporär, musst du die Einkünfte versteuern. Kein Unterschied zu einer Dauermiete. Aber: Wenn die Nutzung kostenlos ist und keine wirtschaftliche Gegenleistung besteht, gibt es keine steuerpflichtigen Einkünfte - aber auch keinen Anspruch auf Abschreibungen. Das ist eine Abwägung, die du mit deinem Steuerberater klären solltest.

Rechtlicher Rahmen für Zwischennutzungen als schwebendes Dokument über einer deutschen Stadtlandkarte.

Praktische Hürden: Warum viele Projekte scheitern

Die Idee ist gut. Der Weg dorthin ist schwer. Viele Initiativen scheitern nicht an der Kreativität, sondern an der Bürokratie.

  • Die Baugenehmigung dauert Monate - oft länger als die geplante Nutzungsdauer.
  • Die Feuerwehr verlangt eine Brandschutzgutachten, das 3.000 Euro kostet - für ein Projekt mit 5.000 Euro Budget.
  • Der Eigentümer hat Angst, dass er später für Schäden haftet, obwohl er nichts getan hat.
  • Die Nachbarn klagen wegen Lärm - obwohl es nur ein kleiner Kunstworkshop ist.

Die Lösung: Frühzeitig mit der Bauaufsicht sprechen. Viele Städte haben mittlerweile „Zwischennutzungsbeauftragte“ - Ansprechpartner, die wissen, wie man mit Flexibilität und Sicherheit umgeht. In Freiburg gibt es einen solchen Ansprechpartner im Amt für Stadtentwicklung. Dort kannst du deine Idee vorstellen, bevor du einen Antrag stellst. Oft wird dann ein vereinfachtes Verfahren möglich - etwa ohne vollständige Baugenehmigung, wenn das Gebäude nicht verändert wird und nur geringe Risiken bestehen.

Die Zukunft: Professionalisierung und Rechtsklarheit

Die Zeiten, in denen Zwischennutzungen als „besetzte Häuser“ oder „kreative Randerscheinungen“ abgetan wurden, sind vorbei. Heute werden sie als strategisches Instrument der Stadtentwicklung gesehen. Die Bundesregierung hat das 2008 erkannt, die Stadt Berlin 2007 mit Leitlinien.

Heute gibt es spezialisierte Agenturen, die Zwischennutzungen vermitteln - wie „Leerstand macht Stadt“ in Köln oder „Zwischennutzung.de“ in Berlin. Sie verbinden Eigentümer mit Projekten, helfen bei Verträgen und klären rechtliche Fragen. Die Zukunft liegt in der Professionalisierung - nicht im Chaos.

Auch die Gesetze ändern sich. In Nordrhein-Westfalen wird aktuell ein Modellprojekt getestet, das temporäre Nutzungen von Dauerprojekten rechtlich trennt - mit vereinfachten Anforderungen, aber klaren Sicherheitsstandards. Das könnte ein Modell für ganz Deutschland werden.

Was bleibt? Temporäre Nutzungen sind kein Ausweg, sondern eine Chance - für Stadt, Eigentümer und Nutzer. Aber nur, wenn man sie mit Respekt vor den Regeln angeht. Kreativität braucht Rahmen - nicht Freiheit ohne Verantwortung.

Ist eine temporäre Nutzung ohne Genehmigung möglich?

Nein. Selbst wenn die Nutzung nur kurzfristig ist, gelten alle baurechtlichen Vorschriften. Ohne Genehmigung, wenn eine Nutzungsänderung oder bauliche Veränderung vorliegt, ist die Nutzung rechtswidrig und kann mit Bußgeldern oder Zwangsräumung enden. Ausnahmen gibt es nur bei sehr geringfügigen Änderungen - etwa wenn ein leerstehendes Lager nur als Lagerraum für private Gegenstände genutzt wird. Aber sobald du es als Café, Werkstatt oder Büro nutzt, brauchst du die Genehmigung.

Darf ich eine Wohnung als Ferienwohnung vermieten, ohne Genehmigung?

Das hängt vom Bundesland ab. In Bayern darfst du deine Wohnung bis zu 8 Wochen pro Jahr an Touristen vermieten, ohne Genehmigung - vorausgesetzt, es ist deine Hauptwohnung. In Berlin, Hamburg oder München brauchst du eine Erlaubnis, wenn du mehr als 60 Tage im Jahr vermietest. In einigen Städten ist sogar die Vermietung von nur 30 Tagen genehmigungspflichtig. Prüfe immer die lokale Wohnraumverordnung - sie variiert stark.

Was passiert, wenn ich eine Zwischennutzung nicht ordnungsgemäß beende?

Wenn du die Nutzung über die vereinbarte Zeit hinaus fortsetzt, wird sie zur ungenehmigten Dauernutzung. Der Eigentümer kann dich abmahnen, die Nutzung einstellen lassen und Schadensersatz verlangen. In manchen Fällen kann die Stadt auch die Rückbaupflicht auferlegen - also das Gebäude in den ursprünglichen Zustand versetzen. Das kann Tausende Euro kosten. Deshalb: Im Vertrag steht, wie die Rückgabe erfolgt - halte dich daran.

Kann ich als Mieter eine Zwischennutzung anfangen, ohne die Zustimmung des Eigentümers?

Nein. Selbst wenn du das Gebäude nicht besitzt, darfst du es nicht anders nutzen, als es im Mietvertrag steht. Wenn du eine Wohnung als Büro nutzt, ohne dass der Vermieter zugestimmt hat, verstößt du gegen den Mietvertrag. Der Vermieter kann kündigen - und das ist kein Risiko, das du eingehen solltest. Immer zuerst den Eigentümer fragen - schriftlich.

Wie finde ich einen Eigentümer, der eine Zwischennutzung zulässt?

Viele Kommunen haben Online-Plattformen, wo leerstehende Immobilien gelistet werden - etwa „Leerstand-Portal“ in Freiburg oder „Zwischennutzung.de“ in Berlin. Auch lokale Kulturämter oder Stadtteilzentren wissen oft, wo Leerstand besteht. Ein guter Ansatz: Gehe direkt zu den Immobilienverwaltern oder Hausverwaltungen in deinem Stadtteil. Viele wissen, dass Leerstand teuer ist - und sind offen für Lösungen, wenn du professionell und verlässlich wirkst.