Stellen Sie sich vor, Sie kochen gerade abends, der Gefrierschrank im Keller läuft, die Ladestation für Ihr Elektroauto ist angeschlossen - und plötzlich springt die Sicherung raus. Oder worse: Sie bemerken gar nichts, bis es zu spät ist. Ein überhitzter Steckdosenanschluss, ein veralteter Sicherungskasten oder ein defekter Fehlerstromschutzschalter - all das kann unsichtbar bleiben, bis es zu einem Brand oder einem tödlichen Stromschlag kommt. In Österreich und Deutschland sterben jedes Jahr Dutzende Menschen durch elektrische Unfälle in eigenen vier Wänden. Die gute Nachricht: Die meisten dieser Fälle sind vermeidbar. Mit einer regelmäßigen Prüfung der Elektroinstallation können Sie gefährliche Mängel frühzeitig erkennen und beheben.
Warum Sie Ihre Elektroinstallation nicht ignorieren dürfen
Viele Hausbesitzer denken, dass eine Elektroinstallation, die vor 10, 20 oder sogar 30 Jahren installiert wurde, einfach „funktioniert“ und deshalb sicher ist. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Die Technik hat sich verändert, die Ansprüche sind gestiegen. Früher reichte ein Stromkreis für Licht, Radio und einen Fernseher. Heute haben Sie Smart Home-Systeme, mehrere Laptops, Kaffeemaschinen, Waschmaschinen, Trockner, eine Wallbox für das Elektroauto und vielleicht sogar eine Photovoltaikanlage. All das zieht Strom - und oft viel mehr, als die alte Leitung je ausgelegt hat. Laut der deutschen Norm DIN VDE 0100-600 sollte eine Elektroinstallation in Wohngebäuden alle vier Jahre geprüft werden. In der Schweiz ist die Frist länger - alle 20 Jahre - aber bei einem Verkauf ist eine Prüfung Pflicht. In Deutschland ist die Prüfung nicht gesetzlich vorgeschrieben, wenn es sich um eine private Immobilie handelt. Das bedeutet: Es liegt ganz bei Ihnen. Und genau hier liegt das Problem. Viele Eigentümer warten, bis etwas passiert. Dabei ist eine Prüfung nicht teuer - sie ist eine Versicherung für Leben und Eigentum.Was genau wird beim E-Check geprüft?
Der E-Check ist kein bloßer Blick ins Sicherungskasten. Es ist ein standardisierter, professioneller Prüfprozess, den nur zertifizierte Elektrofachbetriebe durchführen dürfen. Dabei werden fünf Kernbereiche untersucht:- Sichtprüfung: Der Elektriker schaut sich alle sichtbaren Teile an - Steckdosen, Schalter, Kabelverläufe, Leitungen in Kästen. Er sucht nach Rissen, Verbrennungsspuren, lockeren Klemmen oder übermäßig warmen Bauteilen. Eine Steckdose, die beim Einstecken heiß wird, ist ein klares Warnsignal.
- Isolationswiderstandsmessung: Mit einem speziellen Messgerät wird geprüft, ob die Isolierung der Kabel noch intakt ist. Ein Wert unter 1 MΩ ist kritisch. Das bedeutet: Strom kann durch feuchte oder beschädigte Isolierung „lecken“ - und das kann zu Kurzschlüssen oder elektrischen Schlägen führen.
- Schutzleiterwiderstand: Der Schutzleiter (die grün-gelbe Leitung) leitet Strom im Fehlerfall sicher in die Erde. Wenn sein Widerstand zu hoch ist, funktioniert der Fehlerstromschutzschalter nicht. Das Gerät könnte dann nicht abschalten, wenn jemand einen Stromschlag erhält.
- Funktionsprüfung der Schutzeinrichtungen: Jeder Fehlerstromschutzschalter (RCD) muss innerhalb von 0,3 Sekunden abschalten, wenn ein Fehler auftritt. Der Elektriker drückt den Testknopf an jedem Gerät - und prüft, ob es wirklich springt. Viele ältere Anlagen haben gar keinen RCD oder nur einen am Hauptverteiler, was bei moderner Ausstattung nicht mehr ausreicht.
- Überlastprüfung: Der Elektriker berechnet, wie viel Strom auf den einzelnen Leitungen fließt. Wenn zu viele Geräte an einem Stromkreis hängen - zum Beispiel ein Kühlschrank, eine Waschmaschine und eine Ladestation auf einem alten 16-Ampere-Kreis - droht Überlastung. Das führt zu Überhitzung, Schäden an Kabeln und im schlimmsten Fall zu einem Brand.
Ein guter E-Check dauert je nach Hausgröße zwischen zwei und vier Stunden. Der Prüfer dokumentiert jedes Ergebnis im Prüfprotokoll - und gibt Ihnen eine Mängelliste mit konkreten Handlungsempfehlungen.
Typische Mängel, die fast immer gefunden werden
In über 70 % der geprüften Wohnungen in Österreich und Deutschland werden mindestens ein bis drei kritische Mängel gefunden. Die häufigsten Probleme sind:- Kein oder defekter Fehlerstromschutzschalter: Besonders in Häusern, die vor 1990 gebaut wurden, fehlt oft ein RCD. Selbst wenn einer vorhanden ist, ist er manchmal abgeschaltet oder defekt. Ein RCD rettet Leben - er schützt vor Stromschlag, nicht nur vor Überlastung.
- Veraltete Sicherungskästen mit Sicherungen: Glühfaden- oder Schmelzsicherungen sind heute veraltet. Sie reagieren zu langsam und können bei Überlastung brennen, ohne abzuschalten. Moderne Leitungsschutzschalter (LS-Schalter) sind viel sicherer.
- Überlastete Stromkreise: Ein alter 16-Ampere-Kreis, der ursprünglich nur für eine Steckdose in der Küche gedacht war, heute aber Kaffeemaschine, Toaster, Mixer und Mikrowelle versorgt - das ist ein klassischer Fall. Die Leitung wird heiß, die Isolierung bricht ab.
- Defekte oder beschädigte Steckdosen: Lockere Kontakte, schwarze Verfärbungen, Risse - das sind Anzeichen von Überhitzung. Ein solcher Anschluss kann bei Berührung einen elektrischen Schlag verursachen.
- Keine Erdung bei Steckdosen: In alten Gebäuden sind oft nur zweipolige Steckdosen vorhanden - ohne Erdung. Das ist bei Geräten mit Metallgehäuse (wie Waschmaschinen oder Geschirrspülern) extrem gefährlich.
Die Initiative ELEKTRO+ warnt explizit: Smart Home-Systeme, Photovoltaikanlagen oder Wallboxen erhöhen die Belastung. Wenn die alte Installation nicht angepasst wurde, wird das Risiko exponentiell größer.
Wann ist eine Prüfung unbedingt nötig?
Sie müssen nicht warten, bis etwas passiert. Es gibt klare Anlässe, bei denen eine Prüfung Pflicht sein sollte - auch wenn sie nicht gesetzlich vorgeschrieben ist:- Beim Kauf einer Immobilie: Ob Sie ein Altbau oder ein Neubau kaufen - die Elektroinstallation ist ein entscheidender Faktor für den Wert und die Sicherheit. Ein E-Check vor dem Kauf gibt Ihnen Klarheit.
- Beim Mieterwechsel: Wenn Sie vermieten, haften Sie als Eigentümer für die Sicherheit der Anlage. Ein Prüfprotokoll schützt Sie rechtlich.
- Bevor Sie eine Wallbox installieren: Eine Ladestation für ein Elektroauto zieht bis zu 11 kW - das ist mehr als ein ganzes altes Haus brauchte. Ohne Prüfung kann das die gesamte Anlage überlasten.
- Beim Einbau einer Photovoltaikanlage: PV-Anlagen erzeugen Gleichstrom, der über Wechselrichter in das Hausnetz eingespeist wird. Das verändert den Stromfluss - und kann bestehende Schwachstellen sichtbar machen.
- Nach einer Renovierung: Wenn Sie Wände aufgerissen, neue Leitungen verlegt oder Steckdosen verschoben haben, muss die gesamte Anlage neu geprüft werden. Selbst kleine Änderungen können die Sicherheit beeinträchtigen.
Was Sie nach der Prüfung tun müssen
Wenn der Elektriker Mängel feststellt, bekommen Sie eine schriftliche Liste mit Prioritäten. Manche Mängel sind dringend, andere können in einigen Monaten behoben werden. Wichtig: Sie dürfen nicht einfach irgendeinen Elektriker beauftragen, um die Reparatur zu machen. Wenn der Prüfer ein unabhängiges Kontrollorgan ist - wie es in der Schweiz vorgeschrieben ist - dann sollte auch die Behebung von einem anderen Betrieb durchgeführt werden. So bleibt die Unabhängigkeit gewahrt.Die Mängelbehebung ist nicht nur eine Kostenfrage - sie ist eine Investition in Sicherheit. Ein neuer Fehlerstromschutzschalter kostet etwa 150 Euro, ein kompletter Sicherungskastenwechsel vielleicht 1.500 bis 3.000 Euro. Im Vergleich zu den Kosten eines Brandes oder einer Haftungsklage ist das wenig.
Die Dokumentation ist genauso wichtig wie die Prüfung selbst. Sie erhalten ein Prüfprotokoll mit allen Messwerten und Ergebnissen. Bewahren Sie es auf - es ist Ihr Nachweis, dass die Anlage sicher ist. Versicherungen fragen immer öfter danach. Und wenn Sie später verkaufen, ist ein aktueller E-Check ein Verkaufsargument.
Wie Sie den richtigen Prüfer finden
Nicht jeder Elektriker darf einen E-Check durchführen. Nur zertifizierte Innungsfachbetriebe, die an das Qualitätssiegel „E-Check“ gebunden sind, dürfen die Prüfung ausführen. Suchen Sie nach dem offiziellen E-Check-Siegel auf der Website des Betriebs oder fragen Sie direkt nach der Zertifizierung.Vermeiden Sie „Handwerker vom Straßenrand“, die einen Schnäppchenpreis anbieten. Die Prüfung braucht spezielle Messgeräte, fundiertes Wissen und Erfahrung. Ein falsch gemessener Isolationswiderstand oder ein nicht funktionierender RCD - das kann tödlich sein.
Ein seriöser Betrieb wird Ihnen vorab einen Preis nennen, die Prüfung schriftlich dokumentieren und Ihnen das Protokoll per E-Mail oder Papier aushändigen. Wenn er nur ein mündliches „Alles in Ordnung“ sagt - gehen Sie weg.
Was kommt als Nächstes?
Die Elektroinstallation wird immer komplexer. Mit der Digitalisierung, Elektromobilität und erneuerbaren Energien steigt die Belastung. Experten erwarten, dass die Prüffristen in Deutschland in den nächsten Jahren auf drei Jahre verkürzt werden - besonders für Wohngebäude mit Wallboxen oder PV-Anlagen.Auch Versicherungen rücken immer näher. Einige Anbieter verlangen bereits jetzt bei gewerblichen Immobilien einen E-Check als Voraussetzung für den Versicherungsschutz. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das auch für Privathäuser gilt. Wer jetzt nicht prüft, riskiert nicht nur seine Sicherheit - sondern auch seinen Versicherungsschutz.
Die Technik verändert sich - die Sicherheit muss mitziehen. Eine Elektroinstallation ist kein „set-and-forget“-System. Sie braucht Pflege. Wie ein Auto. Wie eine Heizung. Wie ein Rauchmelder. Wenn Sie nichts tun, wird die Zeit nicht Ihr Freund sein. Sie wird Ihr größter Risikofaktor.
Wie oft muss ich meine Elektroinstallation in meiner Wohnung prüfen lassen?
Laut DIN VDE 0100-600 sollte eine Elektroinstallation in Wohngebäuden alle vier Jahre geprüft werden. Das gilt für alle Häuser, unabhängig vom Alter. Bei älteren Anlagen oder bei erhöhter Belastung (z. B. durch Wallboxen oder Photovoltaik) ist eine Prüfung alle zwei Jahre sinnvoll. In der Schweiz ist die Frist alle 20 Jahre - aber bei einem Immobilienverkauf ist eine Prüfung verpflichtend.
Ist der E-Check gesetzlich vorgeschrieben?
In Deutschland ist der E-Check für private Wohnimmobilien nicht gesetzlich vorgeschrieben - nur für gewerbliche Betriebe und öffentliche Gebäude. Aber: Wenn ein Schaden eintritt und keine Prüfung nachgewiesen werden kann, kann die Versicherung die Leistung verweigern. Zudem haften Sie als Eigentümer rechtlich, wenn ein Mangel zu einem Unfall führt. Ein E-Check ist daher eine verantwortungsvolle Pflicht - auch wenn er nicht verpflichtend ist.
Was kostet eine Elektroinstallation-Prüfung?
Die Kosten hängen von der Größe der Wohnung oder des Hauses ab. Für eine kleine Wohnung (bis 80 m²) liegen die Preise zwischen 150 und 250 Euro. Für ein Einfamilienhaus (120-180 m²) rechnen Sie mit 300 bis 500 Euro. Dazu kommen eventuelle Mängelbehebungen, die separat berechnet werden. Der E-Check selbst ist eine Investition - und im Vergleich zu den Folgekosten eines Brandes oder einer Haftungsklage extrem günstig.
Kann ich die Prüfung selbst machen?
Nein. Die Prüfung erfordert spezielle Messgeräte, fundiertes Wissen über Normen und Erfahrung mit realen Installationen. Nur zertifizierte Elektrofachbetriebe dürfen den E-Check durchführen und ein gültiges Prüfprotokoll ausstellen. Selbst wenn Sie technisch begabt sind - Sie können keine rechtlich gültige Prüfung durchführen. Das ist nicht nur riskant, es ist auch rechtlich nicht zulässig.
Was passiert, wenn ich Mängel ignoriere?
Ignorieren Sie Mängel, riskieren Sie einen elektrischen Brand, einen tödlichen Stromschlag oder eine Haftungsklage. Versicherungen weigern sich oft, Schäden zu zahlen, wenn keine regelmäßige Prüfung nachgewiesen werden kann. In Mietobjekten können Mieter bei Schäden auf Sie als Vermieter klagen. Und in der Schweiz droht sogar eine Geldstrafe, wenn das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) nach einer Mahnung feststellt, dass die Prüfung nicht durchgeführt wurde. Die Kosten einer Behebung sind immer geringer als die Folgen einer Unterlassung.